Du wachst auf – alles dreht sich. Zack, der Restalkohol der letzten zwei Tage kickt rein. Nützt nix: Aufstehen ist angesagt, denn heute geht’s früh los. Frühstücken. Vogelschießen.Wenn du nicht gerade im Vorstand oder Musikverein bist, kannst du vielleicht noch ein Stündchen länger schlafen. Aber ehrlich: Das macht den Kohl auch nicht mehr fett.
Du taumelst durch die Wohnung, Möbelstücke helfen bei der Wegfindung. Erstmal zum Medizinschrank. Irgendwie musst du ja wieder funktionieren. Also haust du dir alles rein, was der Schrank zu bieten hat: Ibu, Aspirin, Elektrolyte – in genau der Reihenfolge oder besser nicht. Man sucht sich natürlich eins der 3 aus. Danach bist du mehr oder weniger startklar. Versuchst noch, ein trockenes Karo-Bütterken runterzukriegen, aber der Biss Brot im Mund wird irgendwie immer mehr. Mit Müh und Not kriegst du das olle Teil runter.
Immerhin: Du hast am Vorabend bei den Jungschützen die legendären Socken gekauft. Und da die Devise heute lautet: „Tennissocken und Adiletten“, ziehst du sie natürlich an. Man will ja dazugehören.
Dann auf zur Vogelstange – das Schießen will man ja nicht verpassen.
Am Dorfplatz angekommen, erstmal checken: Wer steht da alles? Glück gehabt – Hofstaat oder Königin brauchst du heute nicht geben.Manch ein Herr entscheidet sich übrigens erst vor Ort, König zu werden – ohne vorher mit der Regierung gesprochen zu haben. Mutig.
Es wird munter auf den Holzvogel geballert, Splitter und Flügel fliegen durch die Gegend. Während die einen schießen, gönnen sich die anderen schon wieder ein Bier – oder wenigstens ein „Zwiwa“ (Zwischenwasser). Der Tag wird lang.
Dann ist es soweit: Das letzte Gestrüpp fällt. Tosender Applaus. Die Kapelle spielt, der neue König wird gefeiert – und seine frischgebackene Königin steht kreidebleich daneben.Wirklich? Ja. Augen zu und durch!
Nach den Gratulationen heißt es: Abmarsch zur Halle.Dort angekommen, steht der ganze Festzug Spalier. Brudermeister und König lassen jeden und alles hochleben. Und dann: „Wechtreten!“
Ab jetzt gibt’s nur noch ein Gas: Vollgas.
An der Theke läuft das Bier in Strömen – frisch gezapft und durstlöschend. Die Kapelle bezieht die Bühne, bereit für den Frühschoppen.Eine illustre Mädelsrunde scharrt nun hektisch Stühle zusammen – für ihren berühmten Stuhlkreis.Das ganze Jahr sieht man sich kaum – aber montags sitzt man hier zusammen, lacht, trinkt, feiert. Jeder ist willkommen – neue Gesichter inklusive. Deshalb nennt man es auch gern die inoffizielle Schnapsrunde.
Von den letzten Wertmarken werden die ersten Schnäpse geholt – wer hätte gedacht, wie viele da plötzlich noch auftauchen. Es wird getrunken, gelacht, dirigiert.Die Halle tobt, spätestens wenn das „Höinger Lied“ erklingt, gibt’s kein Halten mehr – das ist Gesetz!
Zwischendurch geht man mal zur Schnuckelbude. Dort gibt’s allerlei Kram – und plötzlich laufen die Frauleute mit blinkenden Blumenkränzen im Haar durch die Halle.Ist halt Montag. Da ist eh alles egal.
Gegen 14 Uhr endet der Frühschoppen.
Wer schlau ist, zieht sich in den Garten zurück, um sich kurz zu regenerieren.Wer Durchhaltevermögen beweist, bleibt an der Halle – und an der Zahltheke. Die werden dann meist nicht mehr gesehen.
Auf dem Heimweg entstehen die kreativsten Ideen:„Wohnt da vorne nicht einer vom Vorstand? Komm, wir nehmen Wasserpistolen mit und schmeißen ihn aus dem Bett!“Gesagt, getan. Seine Gattin hat’s zum Glück mit Humor genommen.Der Vorstand… weniger.
Im Garten wird dann alles, was die Tiefkühltruhe hergibt, in den Ofen geworfen. Essen rettet Leben – besonders heute.(Dass in der Halle die Pommesbude zu ist, wird übrigens ignoriert. Dort gilt: 5 Bier = 1 Schnitzel.)
Gegen 16 Uhr heißt es wieder: Antreten.
Dass zu diesem Zeitpunkt nicht mehr alle nüchtern sind, dürfte jedem klar sein.Man sieht Frauleute im Festzug mitlaufen – Krawatten auf dem Kopf, nicht um den Hals.Ist eben Montag – da ist alles erlaubt.
Wir erheben uns aus dem Garten und marschieren zum Balkon.Der Hausherr ist wenig begeistert, als plötzlich mehr Leute als Balkongeländer ins Haus marschieren.Er versucht noch, seine Tochter zu belehren: „Nächstes Jahr ist aber Schluss mit dem Quatsch!“ –„Ja Papa, nächstes Jahr wird alles anders…“Äh ja.
Dann kommt der Festzug. Und wieder die große Frage:Was trägt die Königin? Welche Farbe? Welche Frisur?Wetten laufen – und ja, sie sieht wieder traumhaft aus. Schließlich hatte sie heute beim Frühschoppen Besseres zu tun als sich mit Schnaps und Bier zu begnügen.
Der Hofstaat stellt sich auf, die Kapelle spielt den Petersburger.Der Festzug zieht vorbei. Dann geht’s zurück in die Halle.
Und dort kennt man das Programm: Königstanz. Kindertanz. Thekenmusik.
Wer es bis hierher geschafft hat, zieht durch – ob er will oder nicht.Irgendwann findest du wieder eine Wertmarke in der Jacke. Huch, wo kommt die denn her?Egal – rein damit. Noch ein Schnaps. Was muss, das muss.
Der DJ spielt, die Tanzfläche ist voll. Selbst der größte Tanzmuffel wird jetzt gesichtet, wie er sich durchs Parkett schiebt.
Da das Bier nach drei Tagen eher nach Spülwasser schmeckt, wird nun auf Sekt umgestiegen.Oder Cola-Korn. Oder Korn mit einem Schuss Cola.Die Sektbar brummt.
Auch beim Vorstand fällt die Etikette.Plötzlich trägt der Jungschütze Offiziersuniform – und der Offizier läuft als Jungschütze rum.Spätabendliche Degradierungen sind halt Tradition.
Irgendwann nimmt auch der Montag ein Ende.
Der König wird noch nach Hause gebracht.Die ganz Harten bleiben in der Halle – in der Hoffnung, das letzte Bier oder gar das übriggebliebene Schnitzel des Hofstaats abzugreifen.
Aber irgendwann ist Schluss.Die Halle leert sich. Die Musik verstummt. Die Lichter gehen aus.
Bis zum nächsten Jahr, wenn es wieder heißt: Glaube. Sitte. Heimat.
In diesem Sinne: Prost Gemeinde, der Vorstand säuft.
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